KielPod Ausgabe 834: Kieler Erinnerungstag: 2.11.1800 – Gründung der Gesellschaft Harmonie

4. November 2010

Stadtgeschichte in monatlichen Folgen – das bietet die Reihe „Kieler Erinnerungstage“ des Stadtarchivs. Die Historikerin Christa Geckeler spürt mit Hilfe der im Archiv vorhandenen Quellen und Literatur wichtigen Ereignissen aus Kiels Vergangenheit nach und stellt jeden Monat eine Geschichte vor. Eine spannende Chronik entsteht, die zeigt, was Kielerinnen und Kieler einst bewegte. Im November 1800 war das die Gründung der Gesellschaft Harmonie.

Wer in Kiel im 19. Jahrhundert gesellschaftlich auf sich hielt, musste Mitglied in der Harmonie sein. Vor 210 Jahren gegründet, entwickelte sich die Gesellschaft Harmonie schnell zum gesellschaftlichen Kristallisationspunkt der bürgerlichen Stadt: Sie setzte sich zum Ziel „durch anständige Unterhaltung und Vergnügungen und durch ein Leseinstitut Männern aus allen Ständen eine angenehme und nützliche Erholung von ihren Berufsgeschäften zu verschaffen“. Zu diesem Zweck schuf die Harmonie sich eigene Vereinsräume, zunächst im „Gasthof zum Adler“ in der Vorstadt, dann von 1810 an im Haus des Weinhändlers Juels in der Schuhmacherstraße 4. 1834 konnte dann ein eigenes Gebäude in der Faulstraße 7 mit Garten zum Kleinen Kiel bezogen werden.

Die Mitgliedschaft war auf Männer beschränkt. Aufgenommen wurden vor allem Universitätsangehörige, Beamte, Offiziere und Kaufleute, doch keine Angestellten oder Handwerker. So blieben die Gebildeten und Wohlhabenden unter sich.

In der Faulstraße wurde ein Lesezimmer eingerichtet; neun deutsche und dänische Wochenblätter und sechs führende in- und ausländische Tageszeitungen lagen dort aus. Im Laufe der Jahre wurde auch eine umfangreiche Bibliothek aufgebaut, die mehr zeitgenössische Literatur enthielt als die Universitätsbibliothek. Zur Geselligkeit gehörten an verschiedenen Tischen auch Kartenspiele, die aber nur von nachmittags um fünf Uhr bis abends neun Uhr stattfinden durften. 1804 wurde die Anschaffung eines Billards beschlossen, 1812 eine Kegelbahn eingerichtet. Regelmäßig wurden Konzerte und Bälle ausgerichtet, zu denen Damenbegleitung erwünscht war. In der Harmonie fanden die Angehörigen besserer Kreise also alles, was ihnen ein Bedürfnis war: Zeitungen lesen, sich mit der neuesten Literatur vertraut machen, Karten- und Billardspiel, ein gutes Glas Wein, anregende Gesellschaft und gesellige Ereignisse.

In ihrer Blütezeit vor 1880 hatte die Gesellschaft über 1200 Mitglieder, deren Anzahl danach aber stetig zurückging. Die wachsende Großstadt bot den führenden Schichten nun vielfältige Freizeitvergnügen und gesellige Ereignisse. Die Harmonie hatte sich als gesellschaftliche Institution überlebt: Nun entschied die Mitgliedschaft im Kaiserlichen Yacht-Club über die Zugehörigkeit zur Kieler Oberschicht, oder allenfalls die Mitgliedschaft im Tennis-Club oder im Ersten Kieler Ruder-Club.

Die Zeit hatte sich gewandelt, die Gesellschaft Harmonie aber nicht. 1893 beschlossen die nur noch 116 Mitglieder den Verkauf des Grundstücks an der Faulstraße. Zum 11. April 1896 löste sich die Gesellschaft auf, die fast ein Jahrhundert lang eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben der Stadt Kiel gespielt hatte.

Die ausführliche Fassung ist zusammen mit den inzwischen 70 vorhandenen Folgen der „Kieler Erinnerungstage“ auf der Internet-Seite des Stadtarchivs unter www.kiel.de/kultur zu finden. Die von Christa Geckeler verwendeten Quellen und Bücher liegen im November für Interessierte im Stadtarchiv bereit (Montag und Dienstag 8.30 bis 16 Uhr, Donnerstag 8.30 bis 18 Uhr). Die nächste Folge im Dezember 1950: Baubeginn der Kieler Ostseehalle.

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